Maximilianstrasse Speyer

Bildquelle: Klaus Venus (www.klaus-venus.de)

Altpörtel-Ausstellung: „Türme und Tore“ im Spätmittelalter

Vom Leben vor und hinter der Stadtmauer

Speyer. Von den einstmals 68 Mauer- und Tortürmen der Speyerer Stadtbefestigung ist das Altpörtel der bekannteste. Zwischen dem 55 Meter hohen Wahrzeichen und dem Kaiserdom als berühmtestem Bauwerk der Stadt breitet sich auf einer Länge von einem knappen Kilometer die Maximilianstraße aus. Ein neues Kapitel aus der über 2000 Jahre alten Geschichte der Stadt wurde nun im Altpörtel aufgeschlagen. Dass im ersten Obergeschoss die Ausstellung „Türme, Tore, Mauern. Die spätmittelalterliche Speyerer Stadtbefestigung von innen und von außen“ eingerichtet werden konnte, verdankt die Stadt dem Lionsclub Speyer, der mit einer Gesamtspende von 25 000 Euro bereits die Finanzierung der Dauerausstellung zum Reichskammergericht in der darüber liegenden Ebene gesichert hatte.

Für die großartige Unterstützung dankte Oberbürgermeister Hansjörg Eger dem Lions Club Speyer und für die Gestaltung der Dauerausstellung Stadtarchivleiter Dr. Joachim Kemper und den beiden Kuratoren Dr. Matthias Preißler und Marcel Flach.

Mit vielen Urkunden-Reproduktionen, Plänen und einem großen „Stadtplan“ von Speyers Ausmaßen um 1525 in einer Glasvitrine gibt die Ausstellung einen informativen Einblick ins Spätmittelalter. Auf Tafeln wird Stadtgeschichte lebendig erklärt.

Die Stadtmauer bot nicht nur Schutz vor äu­ßeren Bedrohungen und die Freiheit von lan­desherrlicher Macht, sie bedeutete für die Einwohner der Stadt auch die Unterordnung unter Regeln und Gesetze in den komplexen Sozialstrukturen der städtischen und ständi­schen Gesellschaft. Von außen betrachtet war die Stadtmauer Symbol der Wehrhaftigkeit und ganzer Stolz der Reichsstadt - im Inneren der Stadt war die Wohnlage „‚an der Stadtmauer“ jedoch oft alles andere als ein beliebter Ort. In den en­gen dunklen Gassen entlang der Umfassungs­mauer fanden sich häufig die Randgruppen der städtischen Gesellschaft ein. Nicht zuletzt waren auch die Kerker und Folterkammern in den mächtigen Türmen der Stadtbefestigung untergebracht. Auch das zugehörige Personal, wie die Stadtwache oder der Henker hatten meist dort ihren Dienstsitz.

Eine nachzulesende Verordnung des Rates verdeutlicht, dass die Stadto­brigkeit die Prostitution zu institutionalisie­ren begann - besonders durch die Einrich­tung von „Frauenhäusern”. 1514 wurden den „öffentlichen Dirnen” vier Häuser zugeteilt. Die „Hübschlerinnen” waren freilich eine Randgruppe neben anderen Randgruppen und galten, wie die Quelle aus dem Stadt­archiv zeigt, grundsätzlich als “unehrbar”. Frauenhäuser befanden sich in Speyer nicht zuletzt am „Rand” der Stadt, in Nähe der Stadtmauern - zum Beispiel am Fisch- und Holzmarkt. Frauen, die kein Gewerbe angemeldet hatten, wurden schwer bestraft.

In mehreren Etappen wurde der Be­festigungsring um die Stadt durch die Einbeziehung der wachsenden Vorstäd­te erweitert. Dabei blieben die älteren An­lagen im Inneren der Stadt erhalten. In der Zeit um 1325 umgab man die westlich des Altpörtels gelegene Gilgenvorstadt mit ei­ner Befestigung: 19 Halbrundtür­me und fünf rechteckige Tortürme sicher­ten die Wehrmauer auf einer Gesamtlänge von ca. 1200 Metern. Wenig später, etwa um 1335, wurde eine Mauer um die Vorstadt überm Hasenpfuhl fertiggestellt. Es folgten gegen 1365 die St. Marxen (Fischer-) Vorstadt und wohl um 1380 die Befestigung der Siedlung Altspeyer. Alle Vorstädte waren wohl zuvor bereits durch einfachere Anlagen, wie Wälle und Gräben, geschützt.

Das Ende der Stadtmauer

Die Einführung der Feuerwaffen hat sich im Befestigungsbau erst mit Verspätung niedergeschlagen. Während Handfeuerwaffen rasch Verbreitung fanden, entwickelte sich eine schlagkräftige Belage­rungsartillerie erst seit der Mitte des 15. Jahrhunderts. Vier ausgestellte Kanonenkugeln lassen deren verheerende Wirkung erahnen. Die Besetzungen und Zerstörungen im Dreißigjährigen Krieg und besonders im Jahr 1689 zeig­ten endgültig, dass die „wehrhafte” Stadt des Mittelalters be­deutungslos geworden war.

Dies machte die mittelalterlichen Stadtbe­festigungen aus militärischer Sicht zuneh­mend unbrauchbar. Die militärische Funktion der Speyerer Befestigungsanlagen endete spätestens mit der Stadtzerstörung von 1689. Der Abriss eines großen Teils der Türme und Mauern erfolgte dann in könig­lich-bayerischer Zeit.

Im Pfälzischen Erbfolgekrieg gab Ludwig XIV. den Befehl, Speyer niederzubrennen. Das Altpörtel hat diese verheerende Zerstörung im Jahr 1689 nur durch glückliche Umstände als eines von ganz wenigen Bauwerken der mittelalterli­chen Stadtbefestigung überstanden. Nach der Überlieferung sollen der Prior und die Mönche des nahe gelegenen Karmeliterklos­ters den Kommandeur der französischen Truppen, Marschall Duras, durch ihr Flehen von der bereits vorbereiteten Sprengung des Torturms abgebracht haben. Die Geistli­chen fürchteten, dass ihr Kloster durch die Explosion und Trümmer beschädigt werden könnte. Die Tatsache, dass dort auch fran­zösische Soldaten einquartiert waren, mag die Entscheidung des Marschalls beeinflusst haben.

Zu den Ausstellungsobjekten zählt ein „Eisenhut“. Der Helm ist freilich kein Origi­nal aus dem Mittelalter. Dafür dürfen Besucher dieses Exponat aber anfassen und aufsetzen - und sich, etwa im modernen „Selfie“, an die zahlreichen kriege­rischen Auseinandersetzungen dieser Zeit zurückversetzen. (ws)

Öffnungszeiten des Altpörtels (1. April bis 31. Oktober):

Mo bis Fr 10 bis 12 Uhr und 14 bis 16 Uhr,

Sa u. So 10 bis 17 Uhr